Sonntag, März 30, 2008

Heideggers Seinsdenken & Nietzsches Unterscheidung „letzter Mensch/Übermensch“,

Inwieweit knüpft Heideggers Seinsdenken an Nietzsches Unterscheidung „letzter Mensch/Übermensch“, bzw. dem „Willen zur Macht“ an?Eine Einschätzung

von Paul Bischof



Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung

II. Der letzte Mensch bei Nietzsche

III. Der letzte Mensch bei Heidegger

IV. Zarathustras Übermensch

V. Heideggers Sicht des Übermenschen

VI. Der Wille zur Macht

VII. Das Sein des Seienden oder die Idee der ewigen

Wiederkehr?

VIII. Schlussbemerkung


IX. Literaturverzeichnis 21











I.Einleitung


Etwas erstaunt ist man schon: Da wollen wir uns mit dem Denken beschäftigen und fragen Martin Heidegger, was dieses überhaupt sei und finden uns schon nach wenigen Seiten in einer Besprechung von Nietzsches „Zarathustra“. Und denkt man an die Lektüre von „ Was heisst denken?“ zurück, weiss man nicht einmal mehr ganz genau, wie es dazu gekommen ist. Der Text von 1951/52 stellt jedoch eine wichtige Quelle dar, um mehr über das durchaus ambivalente Verhältnis des „späten“ Heidegger zu Nietzsche zu erfahren. Und bezüglich unserer Frage nach dem Denken lässt uns Heidegger immerhin wissen, dass wir dieses eben noch lernen müssten.

Die folgende Arbeit hat zwar auch mit dem Denken zu tun, wobei wir einmal annehmen wollen, dass wir das Rüstzeug dazu schon dabei haben. Nichstdestotrotz wird es ein schwieriges Unternehmen werden. Ich werde versuchen, eine Einschätzung darüber zu machen, inwiefern Heideggers Seinsdenken an Nietzsches Unterscheidung des „letzten Menschen“ vom „Übermenschen“ bzw. dem „Willen zur Macht“ anknüpft. Schwierigkeiten bereitet eine solche Einschätzung in mehrfacher Hinsicht: Schon Nietzsches Charakterisierungen in seinem „Zarathustra“ sind nicht eindeutig; überhaupt lässt sein aphoristischer Schreibstil oft beliebige Interpretationen zu, vor allem dann, wenn sie aus dem Zusammenhang heraus gerissen werden. So macht Jörg Zittlau, der ein kleines Lexikon mit dem Titel „Die philosophische Rolltreppe“ herausgegeben hat, eine Aussage die genau in diese Richtung weist. Unter dem Titel „Was bringt uns Nietzsche heute?“ schreibt er: "Ansonsten ist Nietzsche posthum gerade das passiert, wogegen er immer gewettert hat: Er wurde nämlich zum schmückenden Objekt der Bildungsbürger. Tausende von Aufsätzen und Büchern, überall Nietzsche-Gesellschaften, und neben Goethe wird kaum jemand so gerne zitiert wie Nietzsche, egal ob zur Hochzeit oder zur Einleitungsrede für die Weltmeisterschaften im Mundharmonikaspielen. Mit Nietzsche kann man eben alles garnieren und da fällt es schwer, seine bleibenden Verdienste herauszukristallisieren.“ (1)

Aber auch Martin Heidegger bleibt in seinen Äusserungen zu Nietzsche ambivalent. Da sagt er einmal, dass sich beim blossen Namen Nietzsche eine Flut von Vorstellungen aufdränge, die heute weniger denn je eine Gewähr böten, dass sie das zeigten, was dieser Denker eigentlich gedacht hätte. (2) In der gleichen Vorlesung meint er aber auch: „Das Gedachte seines Denkens ist so eindeutig wie nur eines; aber das Eindeutige ist vielräumig, in Räumen, die sich ineinander verfügen.“ (3) Oder: „ Wusste Nietzsche, dass etwas Unverlierbares durch ihn hindurch ins Wort kam? Etwas Unverlierbares für das Denken, solches, worauf das Denken immer wieder zurückkommen muss. Er wusste es.“ (4) Aber auch: “Und Nietzsches Denken? Es gehört zum Bedenklichen, dass es noch nicht gefunden ist.“ (5) Es finden sich noch zahlreiche weitere Bemerkungen Heideggers, die höchst widersprüchlich sind. Daneben müssen wir uns auch immer vor Augen halten, dass das, was Heidegger über Nietzsche sagte, auch schon Interpretation ist, eine solche im Übrigen, die sich im Laufe der Jahre stark geändert hat. Wenn wir Heideggers Rektoratsrede von 1933 vergleichen mit der Interpretation des Übermenschen in seiner Vorlesung „Was heisst denken“ von 1951/52, so sind die Unterschiede doch teilweise eklatant.

Eine weitere, wenn auch nicht die letzte Schwierigkeit meines Unternehmens möchte ich nicht unerwähnt lassen: Wir reden von Seinsdenken. Was heisst das eigentlich? Was ist das „Sein des Seienden“? Schon seine Freunde und Kollegen (Jaspers, Arendt) hatten sich darüber geärgert, dass Martin das Sein zeitweise

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  1. Die philosophische Rolltreppe, a.a.O, 153.

  2. Was heisst Denken? A.a.O, 61.

  3. A.a.O., 21.

  4. A.a.O., 23.

  5. A.a.O., 23.


mit einem „y“ schrieb, was die Verwirrung um den Seinsbegriff noch vergrösserte. (6) Um die Schwierigkeiten bezüglich dieses „Seins“ zu verdeutlichen, mag eine Passage aus Rüdiger Safranskis „Meister aus Deutschland“ dienlich sein. Der Autor meint: „ Das Denken des Seins ist für Heidegger diese >spielende<>

Ich werde nun zuerst versuchen, die Vorstellungen der beiden Philosophen bezüglich des letzten Menschen, bzw. Übermenschen etwas auszuleuchten. Es stellt sich ja primär die Frage, ob sich diese Vorstellungen überschneiden oder ob verschiedene Auslegungen möglich sind. Erst danach soll ein Versuch gewagt werden, zu beurteilen, ob Nietzsche und Heidegger wirklich den gleichen
einzigen Gedanken“ gedacht haben, wie MH sich auszudrücken pflegte. Es ist leicht einzusehen, dass am Schluss sich mehr Fragen stellen werden, als Antworten gegeben werden können, doch soll dies dem Versuch keinen Ab-bruch tun.

  1. Vgl. Ein Meister aus Deutschland, a.a.O, 415.

  2. A.a.O., 341.

  3. A.a.O., 342.

II. Der letzte Mensch bei Nietzsche


Wie sieht bei Nietzsche nun dieser letzte Mensch aus? Es ist ein zahmes, genügsames Wesen, das behaglich und durchschnittlich lebt und dabei glaubt, glücklich zu sein. Zarathustra spricht: „ Seht! Ich zeige Euch den letzten Menschen. „Was ist Liebe? Was ist Schöpfung? Was ist Sehnsucht? Was ist Stern?
- so fragt der letzte Mensch und blinzelt. Die Erde ist dann klein geworden, und auf ihr hüpft der letzte Mensch, der Alles klein macht. Sein Geschlecht ist un-austilgbar wie der Erdfloh; der letzte Mensch lebt am längsten. „ Wir haben das Glück erfunden“ - sagen die letzten Menschen und blinzeln. ….. Krank-werden und Misstrauen - haben gilt ihnen als sündhaft: man geht achtsam einher. … Ein wenig Gift ab und zu: das macht angenehme Träume. Und viel Gift zuletzt, zu einem angenehmen Sterben…. Man wird nicht mehr arm und reich: beides ist zu beschwerlich. Wer will noch regieren? Wer noch gehorchen? Beides ist be-schwerlich.“ (9)

Der beschriebene Typus Mensch also nicht schöpferisch tätig, das meiste ist für ihn zu beschwerlich. Man begnügt sich “mit einem Lüstchen für den Tag und einem Lüstchen für die Nacht“ wie Zarathustra weiter ausführt. Nietzsche charakterisiert damit den „philisterhaften“ selbstgenügsamen Bürger abendländischer Tradition, der mit seinen fehlerhaften metaphysischen Annahmen sich sein kleines Glück zusammenschmiedet und mit seinem kleinen erbärmlichen Leben zufrieden ist. Zarathustra möchte diese Menschen befreien. Mit dem Diktum „Gott ist tot“ hat Nietzsche dem modernen Menschen die Illusion genommen, dass es ein höheres Wesen gebe, dass uns einen Sinn in unserem Leben geben könnte. Vielmehr muss dieser Sinn von Menschen selbst geschaffen werden, er

  1. Also sprach Zarathustra, a.a.O., 19f.

muss sich zum Übermenschen entwickeln. Dies ist aber kein Prozess, der von sich aus abläuft. Vielmehr lautet Zarathustras Aufforderung an uns, wir sollten nicht einfach glauben, sondern selbst denken und den eigenen Weg finden, um Durchschnittlichkeit, falsche Gläubigkeit und billige Moral zu überwinden. Wir müssten über uns selbst hinauswachsen, um neue Werte oder gar eine neue Welt zu schaffen. Der Übermensch ersetzt damit bei-Gott-sein als Ziel menschlichen Strebens.

III. Der letzte Mensch bei Heidegger

Heidegger meint, Nietzsche sei der erste gewesen, der die Frage gestellt habe, ob der Mensch als Mensch in seinem bisherigen Wesen für die Übernahme der Herrschaft über die Erde vorbereitet sei, denn er vermöge nicht, über sich hinweg zu blicken : "Der bisherige Mensch ist insofern der letzte Mensch, als er es nicht vermag, und das heisst, es nicht will, sich unter sich zu bringen und das Verächtliche seiner bisherigen Art zu verachten.“ (10) Der bisherige Mensch ist also demgemäss nicht fähig, die Aufgabe der Erdherrschaft wesens-gemäss zu übernehmen, da er selbst noch nicht in sein eigenes volles Wesen eingegangen sei. Der Mensch sei das noch nicht festgestellte Tier. Heidegger geht noch weiter: „ Denn der jetzige Mensch hinkt nicht hie und da, sondern seiner ganzen Art nach auf eine befremdliche Weise hinter dem her, was längst ist.“ (11) Die Gefahr bestehe, dass der jetzige Mensch über die kommenden Ent-scheidungen, von deren besonderer geschichtlicher Gestalt wir nichts wissen könnten, zu kurz denke und sie darum dort suche, wo sie niemals fallen könnten.


  1. Was heisst Denken? A.a.O, 25.

11) A.a.O, 64.

Auf seine Weise entspricht Heidegger mit seiner auf Gegenwart und Zukunft gerichteten Deutung des letzten Menschen Nietzsches prognostischen Intentionen. Dieser habe die drohende Zerstörung und Vernichtung der Welt schon vorhergesehen und zieht, um dies zu untermauern, das Lied des Wanderers und Schatten Zarathustras herbei. „Nietzsche sagt, alldem weit vorausblickend aus höchstem Standort,…dafür das einfache, weil gedachte Wort: „Die Wüste wächst“. Das will sagen: Die Verwüstung breitet sich aus. Verwüstung ist mehr als Zerstörung. Verwüstung ist unheimlicher als Vernichtung.“ (12) Heidegger sieht denn auch die Möglichkeit, dass die Verwüstung der Erde „mit der Erzielung eines höchsten Lebensstandards ebenso zusammengehen“ kann, „wie mit der Organisation eines gleichförmigen Glückszustandes aller Menschen.“ (13) Dies vor allem deshalb, da die Verwüstung sich verberge und überall umgehen könne. Nietzsche habe das Wort: "Die Wüste wächst“ hinaus geschrieen, doch drohe, was früher einmal Schrei gewesen sei, zum Geschwätz zu werden. Wie sagt doch Zarathustra in seiner Vorrede: „Muss man ihnen erst die Ohren zer-schlagen, dass sie lernen, mit den Augen zu hören? Muss man rasseln gleich Pauken und Busspredigern?“ (14) Nietzsche, so Heidegger, sehe klar, dass etwas in der Geschichte des abendländischen Menschen zu Ende gehe, nämlich das bisher und weiter Unvollendete und er sehe auch die Notwendigkeit zu dieser Vollendung hinzuführen.


IV. Zarathustras Uebermensch


Um die Bedeutung der obigen Ausführungen besser zu verstehen, lohnt es


  1. Was heisst Denken?, a.a.O., 11.

  2. A.a.O., 11.

14) Also sprach Zarathustra, a.a.O., 18.


sich, noch einmal Zarathustra „zuzuhören“. Der Einsiedler verlässt nach Jahren der Einsamkeit und des Nachdenkens seine Höhle, um seine Weisheit und Prophezeiungen unter die Menschen zu bringen. Schon auf seinem Weg durch den Wald wundert er sich über den Greis, der mit Gott sein Glück gefunden hat, und ganz offenbar nicht wisse, dass Gott tot sei. Auf dem Marktplatz der nächstgelegenen Stadt spricht er zur versammelten Menge: „Ich lehre Euch den Übermenschen. Der Mensch ist etwas, das überwunden werden soll. Was habt ihr gethan, ihn zu überwinden? Alle Wesen bisher schufen Etwas über sich hinaus: und ihr wollt die Ebbe dieser grossen Fluth sein und lieber noch zum Thiere zurückgehn, als den Menschen überwinden? … Der Übermensch ist der Sinn der Erde. Euer Wille sage: der Uebermensch s e i der Sinn der Erde! Ich beschwöre Euch, meine Brüder, bleibt der Erde treu…“ (15) Zarathustra warnt denn auch vor den „Giftmischern“, die von überirdischen Hoffnungen redeten, denn erst in der Stunde der grossen Verachtung des eigenen Daseins, würde der Mensch das Grösste erleben, was er je könne. Um diesen Übermenschen zu erschaffen, müsse der jetzige, also letzte Mensch und damit alles Bestehende untergehen, indem Glück, Vernunft und Tugend zu überwinden seien. Zarathustra hält insbesondere die Genügsamkeit für das grösste Laster. Der Übermensch würde der Glaube an etwas Göttliches, Überirdisches als Irrweg erkennen und indem er alle diese falschen Vorstellungen von Moral, Mitleid, Glück und Vernunft abwerfen würde, erreiche er einen höheren und mächtigeren Zustand.

Nachdem Zarathustra das Bild des Übermenschen skizziert hat, bleibt uns noch die Aufgabe, seine Konturen zu verdeutlichen und einen Rahmen herzustellen, in den dieses Bild auch passt. Dabei wird es vor allem wichtig sein, sich


15) Also sprach Zarathustra, a.a.O. 14f.

die Frage zu stellen, was dieser Übermensch eben nicht ist, oder besser gesagt, wahrscheinlich entsprechend Nietzsches Denken, nicht sein soll. Die jüngere Geschichte hat gezeigt, wie sehr diese Figur für ein politisches Kalkül eingespannt wurde. Ich denke, Nietzsche selbst wären die braunen Massen ein Gräuel gewesen, hat er doch nicht nur den Staat als Ersatzreligion und die Kriege gegeisselt, sondern lässt Zarathustra selbständig denkende Gefährten suchen, solche, die ihm nicht nach dem Munde reden, sondern die bereit sind, sich selbst zu finden. Er will also nicht der Hirt einer Herde sein und die Massen führen. Sicher hat Nietzsche in seinem „Antichristen“ Töne angeschlagen, die für nationalsozialis-ische Ohren durchaus Musik bedeuteten: „ Die Schwachen und Missrathenen sollen zu Grunde gehen: erster Satz unserer Menschenliebe. Und man soll Ihnen noch dazu helfen.“ (16) Allerdings habe ich Mühe, mir vorzustellen, dass der eher schüchterne, alles betont "Deutsche" und Antisemitische verabscheuende Philosoph mit diesen Worten Mussolinis grausamen Abessinienfeldzug, den zweiten Weltkrieg, den Holocaust oder die Zerstörungsorder gegenüber Deutschland gemeint haben könnte, auch wenn eine Beantwortung dieser Frage bestimmt einer eingehenden vorurteilsfreien Analyse bedarf. (17)

V. Heideggers Sicht des Übermenschen

Auch wenn wir in Zarathustras Charakterisierung des Übermenschen keine Anhaltspunkte für ein Denken Nietzsches finden, die Kriege und Völkermord rechtfertigen sollen, so hat gerade auch Martin Heidegger gezeigt, dass die Figur des Übermenschen zahlreiche Interpretation offen lässt. Die technokratischen



16) Der Antichrist, a.a.O, 170.

17) vgl. hierzu Nietzsche und der Faschismus, a.a.O., v.a. 97 – 136.

Züge, die der Übermensch in Heideggers Nietzsche-Vorlesungen aufweist, werden Anfang der vierziger Jahre noch schärfer gezeichnet als zuvor. In „Was heisst Denken?“ von 1951 sollen wir jedoch Übermenschen auch nicht mehr „in jenen Figuren suchen, die als Hauptfunktionäre eines vordergründigen und missdeuteten Willens zur Macht in die Spitzen seiner verschiedenen Organisationsformen geschoben werden.“ (18) Nietzsche meine mit diesem Namen gerade nicht eine Menschenart, die das Humane wegwerfe und die Willkür zum Gesetz erhebe. Auch habe der Übermensch nichts mit „titanischer Raserei“ zu tun, sondern: „Der Über-Mensch ist derjenige, der das Wesen des bisherigen Menschen erst in seine Wahrheit überführt und diese übernimmt.“ (19) Heidegger meint, dass der so „festgestellte“ bisherige Mensch dadurch in seine Aufgabe gehoben werde, die Erde „in einem hohen Sinn“ zu verwalten. Heidegger gesteht zu, dass der Name „Übermensch“ vielfach missdeutet aber auch missbraucht wurde. Deshalb betont er auch, dass der Übermensch im Sinne Nietzsches kein überdimensionierter bisheriger Mensch sei und nicht einfach die bisherigen Triebe und das Betreiben der bisherigen Menschenart ins Übermässige und Masslose übertriebe. Für den Übermenschen falle gerade das Masslose, das bloss quantitative des linearen Fortschritts dahin, indem er „ ärmer, einfacher, zarter und härter, stiller und opfernder und langsamer in seinen Entschlüssen“ sei. (20)

Ob diese Interpretation Nietzsches Intentionen getroffen hat, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Interessant sind zwei Dinge: Während Heidegger das Über- bzw. Hinausgehen in seinen Nietzsche-Vorlesungen von 1937 – 1940



18) Was heisst Denken?, a.a.O., 26.

19) A.a.O., 26.

20) A.a.O.,67.

offenbar als unbedingte Verneinung des bisherigen geschichtlich gewordenen

Menschseins interpretierte, den Übermenschen sozusagen als einen die Geschichte negierenden Homo faber ansah, so sieht er nun in diesem Übergehen die Fest-Stellung des bisherigen letzten Menschen durch den Übermenschen, ohne dass seine Geschichte hierdurch negiert werden müsste. Wolfgang Müller-Lauter schreibt hierzu: „Caesar mit der Seele Christi: diese synthetisierende Bestimmung des Übermenschen durch Nietzsche hätte Heidegger früher so wenig angeführt wie diejenige, die auf die Bewahrung alles Vergangenen zielt.“ (21) Weiter meint der Autor, es lasse sich vermuten, dass Heidegger unter dem „hohen Sinn“ des Übermenschen die geschichtliche Weite im Gegensatz zur Enge des Weltverwaltens durch den letzten Menschen verstanden habe. In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass Heidegger dem Begriff des Übermenschen auch in „Was heisst denken“ keine einheitliche Bedeutung gibt, obwohl ich denke, dass ihm dieses bewusst gewesen sein muss. Wenn wir uns die obige synthetisierende Begriffsbestimmung von „Caesar mit der Seele Christi“ vor Augen führen, ist nicht leicht einzusehen, warum Heidegger an anderer Stelle meint, dass Nietzsches Ausspruch: “Die Wüste wächst: weh dem der Wüsten birgt!“

wo im Zarathustra ? -->

diesem gleichen Typus Übermensch gelten soll. Viel eher scheint es so, dass Heidegger hier den Begriff in seiner früheren Interpretation eines technisierten homo faber anwendet, der ja durchaus auch die Konturen des bisherigen, letzten „modernen“ Menschen zeigt.

beachte die Stelle - bei Nietzsche

„Was kann der heutige Mensch nicht! … Man kann- vermutlich ahnt noch niemand von uns, was der Mensch alles kann. … Wo bleibt bei den wissenschaftlich registrierbaren Gehirnströmen der blühende Baum? Wo bleibt die Wiese? Wo bleibt der Mensch?“ ( 22)



21) Heidegger und Nietzsche, a.a.O., 124.

22) Was heisst denken?, a.a.O., 24.

IV. Der Wille zur Macht

Zurück zu Zarathustra: Dieser möchte nicht der Menschenverächter sein, sondern sich in den Dienst der Menschen stellen. Und nachdem der letzte Mensch seine falschen Vorstellungen von Glück, Moral und Tugend abgelegt hat, stellt sich für ihn die Frage: Was ist Wahrheit, wenn es keine absolute Wahrheit mehr gibt? Und gerade dem, der Neues schafft, der muss sich fragen: Ist meine Perspektive die richtige? Ist das, was ich will, das Wahre und woher kann ich dies wissen? Zarathustra meint, der schaffende kreative Mensch über-winde sich selbst, und indem er eine „Umwertung aller Werte“ betreibe, könne er neue Massstäbe setzen. Was treibt ihn hierzu an? „Wo ich Lebendiges fand, da fand ich den Willen zur Macht; und noch im Willen des Dienenden fand ich den Willen, Herr zu sein… Das ist die Hingebung des Grössten, dass es Wagnis ist und Gefahr, und um den Tod ein Würfelspielen. … Nur, wo Leben ist, da ist auch Wille: aber nicht Wille zum Leben, sondern - so lehre ich’s dich - Wille zur Macht! … Und wer ein Schöpfer sein muss im Guten und Bösen: wahrlich, der muss ein Vernichter erst sein und Werthe zerbrechen.“ (23)

Dieses Machtwollen des metaphysischen Willenswesens wurde von Heidegger schon früh als „Wille zum Willen“ und damit aus dem Eingebundensein in den Willen zur Macht herausgelöst. Dieser (Wille zur Macht) stellt ihm gemäss nur eine besondere Ausgestaltung des Willens zum Willen dar; die innere Geschlossenheit des Willenswesens bleibe aber gewahrt. Hannah Arendt erklärt dies folgendermassen: "Die zentrale Frage einer künftigen Politik wird immer wieder das Problem der Gesetzgebung sein. … Impliziert ist, dass der Mensch …Souverän auf Erden ist. Impliziert ist, dass Gesetze vom Willen abhängen und dass bestimmte Körperschaften oder Menschen mit der Macht zu wollen, für an-

23) Also sprach Zarathustra, a.a.O., 147ff.

dere zu wollen, ausgestattet werden müssen. Nietzsches Wille zur Macht ist nur die Umkehrung dieser Macht zu wollen, wie sie sich in allen souveränen Staaten seiner Zeit ausdrückte. … Um nämlich die Macht zu wollen zu haben, muss es erst einmal einen Willen geben, die die Macht zu wollen will; oder um wollen zu können, muss ich wollen wollen. Daher Heidegger: Wille zum Willen ist Wille zur Macht.“ (24)

Vielleicht waren es die obigen Worte Zarathustras, die Heidegger dazu bewogen,

Nietzsches Ausspruch „ Die Wüste wächst“ aus den Dionysos-Dithyramben (25) dem Übermenschen zuzuschreiben, Worte übrigens, die Nietzsche nach Heideggers Deutung „weit vorausblickend aus höchstem Standort“ (26) genannt haben soll. Dieser Wille zur Macht setzt Zarathustra nicht mit Raffgier oder Bereicherung im politischen oder wirtschaftlichen Sinn gleich. Er ist kein Machiavellist. Der Wille zur Macht sei ein Wille zur Erkenntnis, wobei der Einsiedler auch betont, dass diese Wissbegierde auch immer mit Machtgier zusammenfalle. Dies sei aber nicht zu verurteilen, ganz im Gegenteil: Er fordert die Menschen ja auf, mit ihrem Wissen auch Macht zu verbinden, um in einer neuen Welt ganz andere Werte zu setzen und das Alte zu überwinden. Wie wir in der Rede „Von der Selbstüberwindung“ gehört haben, ist damit auch Gefahr verbunden. Wir sollten etwas wagen, nicht um jeden Preis an unserem jetzigen Leben hängen, das sowieso verachtenswert sei. Nietzsche erhellt diese Intention meines Erachtens schon in Zarathustras Vorrede sehr schön mit dem Bild des Seiltänzers, der etwas wagt, „hinübergeht“, und dafür mit seinem Tode bezahlt. Durch sein Tun hat er sich nicht nur Zarathustras Respekt verdient, sondern dieser ver-spricht ihm auch, ihn zu bestatten.



24) Denktagebuch, a.a.O., 141.

25) Unter Töchtern der Wüste, in: Dyonisos-Dithyramben, a.a.O., 380ff.

26)Was heisst denken?, a.a.O. 11.

Auch Heidegger fragt sich, was es eigentlich mit diesem Hinübergehen auf sich habe. Er meint, Nietzsche präge diese von ihm gesichtete Wesensart des über sich hinübergehenden Menschen zunächst in die Gestalt des Zarathustra, wobei dieser auf dem Marktplatz bekennt, dass er noch nicht der Übermensch sei, sondern diesen nur ankündige. Heidegger meint, wir würden nach dem Wesen des Übermenschen fragen, insofern er der Übergehende sei. Nietzsche als Denker würde das denken, was ist, „inwiefern es ist und wie es ist. Er denkt das was ist, was ist, das Seiende in seinem Sein.“ (27) Mit der Frage nach der Brücke für das Übergehen, fragten wir durchaus nicht nach dem Sein des Seien-den. Diese Brücke, die zur Wesensgestalt des Menschen, der über den bisherigen hinausgeht, ist Nietzsches Hoffnung auf die Erlösung von der Rache.

Worin besteht nun diese Rache, von der der bisherige Mensch erlöst werden soll? Zarathustra erklärt: „Und flüchtet mein Auge vom Jetzt zum Ehemals: es findet immer das Gleiche: Bruchstücke und Gliedmassen und grause Zufälle – aber keine Menschen! ... Die Vergangnen zu erlösen und alles „Es war“ umzuschaffen in ein „So wollte ich es!“ – das hiesse mir erst Erlösung! ... Nicht zurück kann der Wille wollen; dass er die Zeit nicht brechen kann und der Zeit Begierde, - das ist des Willens einsamste Trübsal. … Also wurde der Wille, der Befreier, ein Wehethäter: und an Allem, was leiden kann, nimmt er Rache dafür, das er nicht zurück kann. Diess, ja diess allein ist R a c h e selber, des Willens Widerwille gegen die Zeit und ihr „Es war.“ (28)

Nun wissen wir also, was es mit der Rache auf sich hat: Es ist des Willens Widerwille gegen die Zeit und ihr „Es war“. Heidegger meint, die Frage nach der Rache und ihrer Überwindung möge zwar sehr gewichtig sein, sei aber doch nicht die Frage nach dem Sein. Was, so fragen wir, ist sie dann? Heidegger gibt

27) Was heisst Denken?, a.a.O., 75.

28) Also sprach Zarathustra, a.a.O., 179.

uns seine Antwort, die seither immer wieder zu kontroversen Diskussionen geführt hat: Nietzsches Erörterungen über die Frage nach der Rache und der Erlösung von ihr bewegten sich in der Tat „in den überlieferten Vorstellungs-bezirken der Moral und der Psychologie“. Der Sache nach denke er (Nietzsche) dies überall von der Metaphysik her, d.h. im Hinblick auf die Frage, wie das Sein des Seienden im Ganzen sich bestimme und den Menschen angehe. Heidegger findet in dem Satz „Von der Erlösung“: „ Dies, ja dies allein ist Rache selber: des Willens Widerwille gegen die Zeit und ihr „Es war““, ganz offenbar eine Wesensbestimmung des Willens selbst. Das hat zweifelsohne Konsequenzen, vor allem wenn Heidegger festhält, dass das Sein des Seienden für die neuzeitliche Metaphysik als Wille erscheine. Um dies zu unterstreichen, und erkenntlich zu machen, inwiefern Nietzsche die Rache und die Erlösung von ihr metaphysisch denke, zitiert er (Heidegger) den Philosophen Schelling mit den Worten: „ Es gibt in der letzten und höchsten Instanz gar kein anderes Sein als Wollen. Wollen ist Ursein, und auf dieses allein (nämlich das Wollen) passen allen Prädikate desselben (nämlich des Urseins“): Grundlosigkeit, Ewigkeit, Unabhängigkeit von der Zeit, Selbstbejahung. Die ganze Philosophie strebt nur dahin, diesen höchsten Ausdruck zu finden.“ (29) Zum Thema der Rache sagt Nietzsche in der Rede „Von der Erlösung“ noch mehr, wenn Zarathustra von Rache und Strafe, Rache und Leid und auch von Rache und Erlösung spricht. Doch dies scheint Heidegger nicht weiter zu interessieren. Es müsse in erster Linie zeigen, inwiefern Nietzsche doch das Sein des Seienden im Ganzen be-denke, wenn er von Rache spreche. Heidegger geht in „Was heisst Denken“ etymologisch vor und meint, dass das Nachdenken, das „Vor-stellen“ des bisherigen Menschen sei durch die Rache, durch das Nachstellen bestimmt. In seinen Nietzsche-Interpretationen schreibt W. Müller-Lauter hierzu: „Heideggers damit

29) Was heisst Denken?, a.a.O. 35.

vollzogene Formalisierung erweist sich im Sinne Nietzsches als ebenso fragwürdig, wie er sie in seinem Sinne fruchtbar macht. Die durch sie mögliche Bedeutungserweiterung des Rachebegriffes gestattet es Heidegger, die Verbindung zum denkenden Vorstellen des Menschen zu ziehen, das sein Verhältnis zum Seienden grundlegend bestimmt.“ (30)

Wie ist dies zu verstehen? Offenbar hat bei Heidegger das Wesen der Rache zwei Aspekte, die nicht voneinander zu trennen sind: den willensmässigen und den vorstellungsmässigen. Die letzten Menschen sagten, sie hätten das Glück erfunden und sie haben dabei geblinzelt, meinte Zarathustra. Dieses „Blinzeln“ erscheint bei Heidegger als „das verabredete und schliesslich der Abrede gar nicht mehr bedürftige Sich-zustellen der ... Ober- und Vorderflächen von allem als des allein Gültigen und Geltenden, womit der Mensch alles betreibt und abschätzt.“ (31) Worauf Heidegger hinaus will sagt er noch deutlicher: „Wir werden … dafür sorgen, dass demnächst alle Menschen auf die gleiche Weise in den gleichen Zustand des gleichen Glückes gestellt werden und die Gleichheit der Wohlfahrt aller sichergestellt wird. Aber dieser Erfindung des Glückes zum Trotz werden die Menschen von einem Weltkrieg in den nächsten gejagt. Man blinzelt den Völkern zu, der Friede sei die Beseitigung des Krieges. … Sind die Kongresse und Konferenzen, die Ausschüsse und Nebenausschüsse etwas anderes als die blinzelnde Organisation der blinzelnden Verabredung des Misstrauens und der Hinterhalte?“ (32) Damit scheint für Heidegger klar zu sein, dass die Herrschaft der Metaphysik, bzw. jenes Vorstellens, das den „metaphysischen Grund des Weltalters ausmacht, das man die Neuzeit nennt“ sich als unheimliches Geschick erweist. Zudem würde

30) Nietzsche und Heidegger, a.a.O., 140.

31) Was heisst denken?, a.a.O., 31.

32) A.a.O., 32.

diese (Herrschaft der Metaphysik) dem modernen Menschen auch verwehren, über sich hinauszusehen.

VII. Das Sein des Seienden oder die Idee der ewigen Wiederkehr?

Durch die oben erläuterte Bedeutungserweiterung des Rachebegriffes scheint

Heidegger auch Nietzsches „Brücke der Hoffnung“ eingerissen zu haben. Kann also von einem „Hinübergehen“ nicht mehr gesprochen werden? Oder tönt aus Heideggers Worten schon so etwas wie Resignation? Nicht nur, wenn wir aus demselben Mund auch vernehmen, dass er glaubt, dass in unserer Zeit bereits Übermenschen existieren könnten. Trotzdem: Heidegger ist es, trotz aller Übereinstimmungen mit Nietzsche, wichtig, sich von ihm abzugrenzen, obwohl er meint, „dass die Hauptarbeit seines Denkens, die der Nachlass enthält, Anforderungen stellt, denen wir nicht gewachsen sind,“ (33) und doch führe uns der „Gang über die Brücke“ auf den Gipfel der Metaphysik Nietzsches.

Eng verbunden mit der Idee der Übermenschen ist jene der ewigen Wiederkehr: Alles Menschliche wiederhole sich und der Mensch müsse damit rechnen, sein Leben noch einmal leben zu müssen. Diese bedeutet auch, dass insbesondere der schaffende und denkende Mensch das Leid aushalten muss und nach Höherem streben soll. Dies soll aber kein Grund zum Verzweifeln sein, sondern als Chance für eine Sinngebung angesehen werden, indem das Menschliche beständig und somit auch verlässlich wird. Heidegger meint, dass „ in diesen beiden Lehren das zugleich gedacht“ sei, „was anfänglich zusammengehöre und deshalb unumgehbar zusammengedacht“ werde, "das Sein des Seienden und sein Bezug zum Wesen des Menschen.“ (34) Nietzsches „einziger Gedanke der ewi-

33) Was heisst denken?, a.a.O., 70.

34) A.a.O., 70.

gen Wiederkehr“ sei auch am schwierigsten zu denken und habe das grösste Schwergewicht. Doch hat der „letzte Denker des Abendlandes“, wie Heidegger Nietzsche betitelte, offenbar doch etwas vergessen und die folgende Passage zeigt meines Erachtens sehr schön, wie eng Heideggers Verhältnis zu Nietzsche war und wie er gleichzeitig versuchte, auf Distanz zu gehen. „Durch die Frage „ Sein und Zeit“ ist auf das Ungedachte in aller Metaphysik gewiesen. Auf diesem Ungedachten beruht die Metaphysik; das in ihr Ungedachte ist darum kein Mangel der Metaphysik. Noch weniger lässt sich die Metaphysik deshalb, weil sie auf diesem Ungedachten beruht, für falsch erklären oder gar als ein Irrgang, ein Irrweg zurückweisen.“ (35) Mit der Doktrin von der „ewigen Wiederkehr“ hat Nietzsche in Heideggers Augen eben auch, wie die gesamte abendländische Tradition, ein in sich geschlossenes Weltbild geschaffen, während Heideggers Frage nach dem Sein eben verhindern soll, dass die Welt zum Weltbild wird.

VIII:Schlussbemerkung

Die obigen Ausführungen haben gezeigt, wie sehr Heidegger von Nietzsche beeindruckt war. Als er Nietzsche den Titel des „letzten Denkers des Abendlandes“ verlieh, hat Heidegger ihm sicher grossen Respekt gezollt, damit aber auch gleichzeitig angedeutet, das er selbst in einer anderen „Sphäre“ philosophiert, in die Nietzsche seines Erachtens noch nicht vorgedrungen war. Haben Heidegger und Nietzsche also ein unterschiedliches Metaphysikverständnis? Wenn wir an Zarathustras polemische Rede „Von den Hinterweltlern “ (36) denken, so wissen wir, was Nietzsches Verständnis von Metaphysik war, denn grundsätzlich be-

35) Was heisst denken?, a.a.O., 42.

36) Also sprach Zarathustra, a.a.O., 33 – 38.

stand für ihn der „Unsinn von Metaphysik als einer Ableitung des Bedingten aus dem Unbedingten“, denn „zur Natur des Denkens gehört es, dass es zu dem Bedingten das Unbedingte hinzudenkt, hinzuerfindet.“ (37) Trotzdem sah Heidegger in Nietzsche, wie oben erwähnt, einen Philosophen des Weltbildes, welches er, Heidegger, überwunden haben will. Rüdiger Safranski drückt es folgendermassen aus: „Das ist wohl doch die Pointe des Gegensatzes zwischen Nietzsche und Heidegger: Nietzsche denkt in der Dynamik des Willens zur Macht die Zeit und rundet sie in der Lehre der ewigen Wiederkunft wieder zum Sein. Heidegger aber versucht den Gedanken durchzuhalten: der Sinn des Seins ist die Zeit. Nietzsche macht aus der Zeit ein Sein, Heidegger denkt im Sein die Zeit mit. (38)

Trotz der vermeintlichen Nähe der beiden Philosophen, scheint also in einem zentralen Punkt, nämlich dem Verständnis von Metaphysik, eine grund-egende Differenz zu bestehen. Leider konnte sich Nietzsche hierzu nicht mehr äussern. Ich denke, seine Antwort wäre interessant gewesen. Aufgrund der Biographie Heideggers darf mit Fug und Recht die Frage gestellt werden, wer von den beiden Philosophen wohl freier von metaphysischen Vorstellungen gewesen ist, gerade wenn wir uns Zarathustras Worte in Erinnerung rufen. Dennoch eine letzte Frage: Gibt es mehr als nur eine philosophische Nähe, gibt es etwas wirklich Verbindendes zwischen Nietzsche und Heidegger und wenn ja, was ist es? Hannah Arendt glaubte es und meinte: „ Wesentlich ist die Vorstellung von der Seltenheit des Lebenden. Damit ist die Brücke geschlagen zu dem Seltenen in der moralischen Wertschätzung und zu der Verachtung alles Durchschnittlichen. Wesentlicher: Damit ist die Brücke geschlagen zu einer „neuen“ Art Wahrheit: Sie braucht sich nicht mehr am Durchschnittlichen, Alltäglichen, jedermann Bekannten, jederzeit Überprüfbaren zu erweisen. Die

37) Nachlass 1882 – 1184, a.a.O., 8(25), 342

  1. Ein Meister aus Deutschland, a.a.O. 342.

Wahrheit kann „rar“, „jäh“, wie „der Blitz“ sein. Hier liegt die eigentliche Verbindung zwischen Nietzsche und Heidegger. Wenn Leben Sein ist, dann ist das „Lebendigste“ das Seiendste. Wenn das Lebende nur eine sehr seltene Art des Toten ist, dann ist das Seltenste das Lebendigste und das Seiendste.“ (39)


39) Denktagebuch, a.a.O., 142.

IX. Literaturverzeichnis


  • Arendt Hannah: Denktagebuch (Hrsg. U. Ludz und I. Nordmann),

München und Zürich: Piper 2002

  • Heidegger Martin: Was heisst denken? 5. durchgesehene Auflage, Tübingen: Niemeyer 1997

  • Müller-Lauter Wolfgang: Heidegger und Nietzsche. Nietzsche Interpretationen III, Berlin/New York: de Gruyter 2000

  • Nietzsche Friedrich: Also sprach Zarathustra. Kritische Studienausgabe Band IV (Hrsg. G. Colli und M. Montinari), Berlin/New York: de Gruyter 1999

--, Der Antichrist. Kritische Studienausgabe Band VI, (Hrsg. G. Colli und

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--, Dionysos-Dithyramben. Kritische Studienausgabe Band VI, Hrsg. G. Colli und M. Montinari), Berlin/New York: de Gruyter 1999

--, Nachlass 1882 – 1884. Kritische Studienausgabe Band X, (Hrsg. G. Colli und M. Montinari), Berlin/New York: de Gruyter 1999

  • Safranski Rüdiger: Ein Meister aus Deutschland. Heidegger und seine Zeit, 5. Auflage, Frankfurt (M): Fischer 2006

  • Taureck Bernhard H.F.: Nietzsche und der Faschismus. Ein Politikum, Leipzig: Reclam 2000

  • Zittlau Jörg: Die philosophische Rolltreppe, München: dtv 2004