Dienstag, Juni 09, 2009

Menon / Protagoras 8.6.2009

Sokrates – / – Protokollant: Tillmann Weißer

Die Sitzung wurde mit einer Reflexion über den Menon begonnen.
Im Menon preist Platon die Dialektik als den Weg des Lernens an. Lernen ist für ihn „sich erinnern“, da die Seele, die im immer wiederkehrenden Zyklus auf der Erde in einem Körper steckt, bis dieser stirbt, dann eine Zeit in einer Art Himmel/Hölle verbringt und schließlich in einen neuen Körper wiedergeboren wird, schon alles weiß. Sie muss also nichts mehr lernen, sondern sich nur über die in ihr ruhende wahre Meinung bewusst werden, indem sie diese begründet. Unklar bleibt dabei allerdings, wie die Seele, als sie noch nichts wusste, lernen konnte. Auch die moderne Forschung weist darauf hin, dass der Mensch irgendetwas von Geburt an mitbringen muss um etwas lernen zu können (vgl. z.B.: Piaget, Kognitive Entwicklung, http://www.edit.uni-essen.de/lp/kognitiv/piaget.htm); zum Beispiel die Fähigkeit, eine jede (Mutter-) Sprache zu lernen. Um sich wieder zu erinnern ist die Dialektik der geeignete Weg. Das zeigt Platon/Sokrates am Beispiel des Sklaven, dem er, durch (sehr) gezielte Fragestellungen, den Weg zur richtigen Lösung einer geometrischen Aufgabe weist.

Die Frage nach dem Wesen Sokrates’, wie ihn Platon im Menon beschreibt, ging unter. Eine stark charakterisierende Szene ist aber bestimmt die , in der Menon Sokrates als „Zitterrochen“ bezeichnet [80aff], der die Leute „an Mund und Seele betäubt“. Überdies hinaus wird auch schon im Menon klar, dass Sokrates sich gerne mit jungen Leuten unterhalten hat. Von seinen Mitbürgern wird er für einen Sophisten gehalten. Dies wird von der Frage des Menon [70a] impliziert. Die Frage nach der Lehrbarkeit der Tugend ist eine Frage, auf die man von den Sophisten eine Antwort erwarten konnte.

In der zweiten Hälfte der Sitzung wurde begonnen den Protagoras zu lesen. Der Dialog spielt in einer Zeit, in der der etwa 36-jährige Sokrates gerade erst am Anfang seiner „Karriere“ steht. Seine Schüler Alkibiades und Hippokrates sind etwa 18. Der später auftretende Protagoras, schon über 50 und eine Berühmtheit. Platon geht hier anachronistisch vor, das heißt, der Dialog kann so nicht stattgefunden haben.
[309a] Der Dialog beginnt mit einem Gespräch zwischen Sokrates und einem Anhänger. Dabei wird zunächst der neuste Tratsch ausgetauscht. Sokrates scheint in Alkibiades verliebt zu sein, der doch wohl schon fast ein wenig zu alt ist. Bald schon nimmt das Gespräch aber eine andere Wendung. Sokrates hat nämlich jemanden getroffen, über den er Alkibiades fast vergessen hätte. Ihm erscheint die Weisheit des Protagoras viel schöner, als die Schönheit des Alkibiades. Daraufhin wird Sokrates aufgefordert von seiner Begegnung zu berichten. Wir schlüpfen in die zweite Erzählebene. [310a] Sokrates erzählt, von seinem Gespräch mit Hippokrates, der am frühen Morgen aufgeregt in sein Schlafgemach stürmt, um ihm von der Ankunft des Protagoras zu berichten. Sokrates weiß dies natürlich schon längst und mahnt seinen Schüler dazu nicht überstürzt zu handeln, weil der am liebsten sofort sein ganzes Geld und das seiner Freunde dafür aufbringen würde, um von Protagoras unterrichtet zu werden. Zuerst müsse man sich darüber bewusst werden, was man im Begriff ist werden zu wollen, wenn man sich einem Menschen wie Protagoras anvertraut. Hippokrates antwortet, dass so wie wenn man Arzt werden will, wenn man sich einem Arzt zur Ausbildung anvertraut, und Bildhauer, einem Bildhauer, so will man wohl Sophist werden, wenn man sich Protagoras anvertraut. Da schließt sich natürlich sofort die Frage an, was denn ein Sophist ist. Weder Hippokrates noch Sokrates wissen darauf eine Antwort. Das Problem ist, dass jeder Fachmann ein Fachgebiet hat, über das er fähig ist zu sprechen. Der Sophist scheint jedoch kein Fachmann auf irgendeinem Gebiet zu sein, trotzdem gibt er an, fähig im Reden zu machen. Nun wird klar, in welche Gefahr Hippokrates sich stürzen wollte. [312c] Er war im Begriff seine Seele aufs Spiel zu setzten. Mit Kenntnissen, die der Seele zukommen verhält es sich nämlich nicht so wie mit Lebensmitteln, die man von einem Großhändler kaufen, vor dem Verzehr aber durch einen Fachmann begutachten lassen kann. Kenntnisse, die man erwirbt, werden direkt der Seele zuteil und richten dort ihre Wirkung an. Man kann also vorher nicht prüfen, ob diese Ware schädlich oder förderlich ist. Hippokrates und Sokrates beschließen, dass es am sinnvollsten ist, zum Protagoras zu gehen und anzuhören, was er zu ihren Befürchtungen zu sagen hat. [314c]

Keine Kommentare: